LVIS Recherche - Niederschrift
13. Landschaftsversammlung 2009-2014
Niederschrift
über die gemeinsame Sitzung des Schulausschusses und der Kommission Inklusion
am 08.09.2010 in Köln, Horion-Haus, Rhein/Erft
Anwesend für den Schulausschuss:
CDU
Hemkens, Wolfgang
Hupperth, Klaus
Kühme, Karl-Friedrich
Natus-Can M.A., Astrid
Pantel, Sylvia
Rohde, Klaus
Solf, Michael-Ezzo (MdL)
Tondorf, Bernd
Tschepe, Heidemarie
SPD
Brink, Martin
Hergarten, Winfried
Lüngen, Ilse
Pohle, Sylvia
Weiden-Luffy, Nicole-Susanne
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Deussen-Dopstadt, Gabi
Janicki, Doris
Peters, Anna Vorsitzende
Schmitt-Promny M.A., Karin
FDP
Stachelhaus, Sebastian Thomas
Dr. Strack-Zimmermann, Marie-Agnes (bis 11.00 h)
Wallutat, Philipp für Roßbach, Ludwig (bis 10.50 h)
Die Linke.
Fink, Margareta für Busche, Roland
FREIE WÄHLER/DEINE FREUNDE
Dipl.-Ing Schreinemacher, Walter Leo
Stellvertretungen
Holländer, Hildburg (CDU)
Stefer, Michael (CDU)
Anwesend für das Gremium Kommission Inklusion:
CDU
Nagels, Hans-Jürgen
Schavier, Karl
Stricker, Günter für Verweyen, Inge
Wöber-Servaes, Sylvia
SPD
Daun, Dorothee Vorsitzende
Schmidt-Zadel, Regina für Prof. Dr. Rolle, Jürgen
Schmerbach, Cornelia
Servos, Gertrud
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Kresse, Martin
FDP
Effertz, Lars Oliver
Wegener, Ralf für Haupt, Stephan (bis 11.00 h)
Die Linke.
Hilbert, Petra
FREIE WÄHLER/DEINE FREUNDE
Dipl.-Ing Hagenbruch, Detlef beratendes Mitglied
Verwaltung:
LVR-Dezernat 5, Schulen Herr Mertens, LVR-Dezernent
LVR-Fachbereich 44, Schulen und Herr Wontorra Fachbereichsleiter
Serviceleistungen Frau Wildanger, Abteilungsleiterin
Frau Collet (Protokoll)
Steuerungsdienst Herr Beicht
LVR-Fachbereich 03, Kommunikation Herr Göller
LVR-Dezernat 7, Soziales und Frau Hoffmann-Badache, LVR-Dezernentin
Integration
LVR-Integrationsamt und Herr Dr. Schartmann
LVR-Hauptfürsorgestelle
Leiter LVR-Fachbereich 73 Herr Flemming
Medizinisch psychosozialer Dienst Herr Woltmann-Zingsheim
LVR-Fachbereich 71 Frau Stenzel (Protokoll)
Gäste:
Herr Prof. Dr. Lelgemann Uni Würzburg, Lehrstuhl Sonderpädagogik II
Herr Dipl. Psych. Walter-Klose Uni Würzburg
Herr Singer Uni Würzburg
Vertreter der Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf im Schulausschuss mit beratender Stimme
Bezirksregierung Köln Herr Höhne
Bezirksregierung Düsseldorf Herr Dr. Saueressig

T a g e s o r d n u n g

 

Öffentliche Sitzung
Beratungsgrundlage
1.
Vorstellen des Konzepts des Forschungsprojekts „Gelingensbedingungen für den Ausbau der schulischen Inklusion
insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung“

 

2.
Bericht über die Tagung der Kultusministerkonferenz, "Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen", am 21. und 22. Juni 2010 in Bremen.

 

Beginn der Sitzung:09:30 AM Uhr
Ende der Sitzung:11:30 AM Uhr




Öffentliche Sitzung

Punkt 1
Vorstellen des Konzepts des Forschungsprojekts „Gelingensbedingungen für den Ausbau der schulischen Inklusion, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung“

Frau Peters, Vorsitzende des Schulausschusses, und Frau Daun, Vorsitzende der Kommission Inklusion, begrüßen die Mitglieder der beiden Ausschüsse, die Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung, alle Gäste und ganz besonders Herrn Prof. Dr. Lelgemann sowie Herrn Walter-Klose und Herrn Singer von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Herr Prof. Dr. Lelgemann, Professor für Körperbehindertenpädagogik an der Universität Würzburg, berichtet anhand einer Power-Point-Präsentation über das „Forschungs- und Entwicklungsprojekt: Ermittlung von Qualitätsbedingungen für den Ausbau gemeinsamer Beschulung (schulische Inklusion) und Sicherung des bestmöglichen Bildungsangebots (Art. 24, 2e der UN-Konvention) von Schülern mit dem Förderbedarf körperliche und motorische Entwicklung“.

Herr Prof. Dr. Lelgemann ist überzeugt davon, dass schulische Inklusion bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen auch in Deutschland realisierbar sei. Er bestätigt Frau Daun, dass Schüler/-innen mit körperlichen Beeinträchtigungen aktiv in die Projektarbeit einbezogen würden. Schwieriger sei dies bei Kindern und Jugendlichen mit einer Mehrfachbehinderung. Gleichwohl sei dies eine Perspektive, die weiter verfolgt werden sollte. Auf Nachfrage von Frau Weiden-Luffy erklärt er, dass Inklusion zwischenzeitlich in ganz Deutschland einen hohen Stellenwert einnehme. In Bayern z.B. würde sich seit etwa einem Jahr ein interfraktioneller Ausschuss des Landtages intensiv mit der Thematik befassen. In Bremen wurde beschlossen, Schüler/-innen mit den Förderbedarfen Lernen, emotional-soziale Entwicklung und Sprache in Regelschulen zu integrieren. In Hamburg würden Schüler/-innen mit dem Förderschwerpunkt "Lernen", "Sprache" oder "Erziehungsschwierigkeiten" bereits in integrativen Schulen unterrichtet.

Herr Prof. Dr. Lelgemann sichert zu, im kommenden Jahr einen ersten Zwischenbericht über sein Forschungsprojekt vorzulegen.

Frau Weiden-Luffy regt an, in den Beirat zusätzlich den Landesbehindertenbeauftragten NRW und die Vorsitzende des Schulausschusses aufzunehmen. Herr Mertens kann sich ihrer Anregung anschließen. Er gibt an, dass der Beirat aus Vertretern der fünf beteiligten LVR-Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung (KME), Vertretern der Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf, dem zuständigen Ministerium, Herrn Cox als Landeselternvertreter der LVR-Förderschulen KME, einer betroffenen jungen Dame, Vertretern der drei kommunalen Spitzenverbände, Herrn Prof. Dr. Lelgemann und seinem Mitarbeiterteam sowie Mitarbeitern aus dem LVR-Dezernat Schulen bestehen würde.

Frau Schmitt-Promny, MA,würde es begrüßen, wenn der Beirat um Elternvertretungen, die dem Inklusionsgedanken positiv gegenüber stünden, z.B. der Verein "Mittendrin", und um Lehrkräfte und Schulvertreter/-innen, die bereits positive Erfahrungen mit Integration gemacht hätten, erweitert würde. Sie bittet darum, statt der Bezeichnung „Betroffene“ den Ausdruck „Selbstvertreter“ zu verwenden. Auch möge die Genderproblematik beachtet werden. Ihr ist es ebenfalls wichtig, dass auf dem Weg zur Inklusion auch die Regelschulen
berücksichtigt werden, denn auch dort müssten die Gelingensbedingungen erst noch geschaffen werden. Vorstellbar sei z.B. auch eine integrative Beschulung unter einem Dach. Herr Prof. Dr. Lelgemann merkt an, dass er bewusst die Begrifflichkeit "Schüler" verwenden würde, da 70 % der Kinder und Jugendlichen mit einem körperlichen Handicap Jungen seien.
Frau Schmidt-Zadel hält es für wichtig, die bei vielen Eltern noch bestehenden Vorurteile auf Grund von Ängsten und Unsicherheiten abzubauen. Wünschenswert sei es, sog. erziehungsunsichere Eltern verstärkt in die Projektarbeit einzubeziehen.

Herr Walter-Klose gibt auf Nachfrage von Frau Dr. Strack-Zimmermann an, dass schon 20 Rückmeldungen ausreichen würden, um von einem repräsentativen Umfrageergebnis sprechen zu können. Bei dem vorliegenden Forschungsprojekt sei der Focus zunächst auf die LVR-Förderschulen KME gerichtet - eine Ausdehnung auf Regelschulen im Kölner Stadtgebiet sei wünschenswert. Frau Dr. Strack-Zimmermann und Frau Pantel regen an, Kontakt zu den entsprechenden Kommunalpolitikern aufzunehmen. Frau Pantel bittet darum, in die Studie auch Schüler/innen einzubeziehen, die im Gemeinsamen Unterricht beschult würden. Bei Vergleichen mit anderen Ländern sei zu beachten, dass es in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern eine Schulpflicht geben würde.

Auf Nachfrage von Herrn Kresse, gibt Herr Prof. Dr. Lelgemann an, dass es im Rahmen der Lehrerausbildung bereits entsprechende Fortbildungen oder pädagogische Studiengänge geben würde. Herr Mertens ergänzt, dass aus diesem Grund Herr Dr. Hagemann dem Beirat angehören würde.

Nach Meinung von Herrn Kresse sollten die Erfahrungen, die aus der Integration von Menschen mit Behinderung im Bereich Wohnen gewonnen wurden, auch vorliegend einfließen.

Herr Prof. Dr. Lelgemann weist auf 2 Bücher hin, die er in diesem Jahr zu diesem Thema veröffentlicht habe und die für die weitere Erörterung des Themas hilfreich sein können:

- Leben mit Körperbehinderung – Perspektive der Inklusion, Jennessen, Lelgemann,
Ortland, Schlüter

- Körperbehindertenpädagogik – Didaktik und Unterricht, Reinhard Lelgemann.

Für Frau Servos ist die bauliche Barrierefreiheit die Voraussetzung aller Inklusionsvorhaben. Ihrer Ansicht nach sollte auch das Schulumfeld insbesondere von behinderten Schülerinnen und Schülern in die Studie einbezogen werden. Kinder mit Beeinträchtigungen würden über Ressourcen verfügen, die bisher noch nicht oder zu wenig genutzt worden seien. Herr Walter-Klose merkt hierzu an, dass dies generell möglich sei, eine empirische Untersuchung dieses Aspektes sei aber sehr Zeit intensiv, da die Kinder über einen längeren Zeitraum begleiten werden müssten, um gültige Aussagen treffen zu können.
Frau Servos würde es begrüßen, wenn in die Studie zudem verstärkt Lehrkräfte an Regelschulen einbezogen würden.

Herr Prof. Dr. Lelgemann merkt an, dass die von den Ausschussmitgliedern genannten zahlreichen weitergehenden Aspekten dem Grunde nach ein neues Forschungsprojekt erfordern würden, viele davon aber in das laufende Forschungsprojekt einbezogen werden könnten. Den Hinweis auf die Barrierefreiheit werde er auf jeden Fall aufgreifen, und zwar auf das Schulgebäude in Gänze bezogen.

Für Herrn Kresse ist es wichtig, von Beginn an auch Menschen mit schweren Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, damit auch sie einen Platz im allgemeinen Bildungssystem finden. Dabei müssten entsprechende Rahmenbedingungen auch in personeller Hinsicht, z.B. mit Pflegekräften und Assistenten, geschaffen werden.
Herr Prof. Dr. Lelgemann teilt mit, dass die Zielgruppe bei den Umfragen aus Pädagogen in Förder-, Integrations- und Allgemeinschulen, Eltern von Schülern an Förder- und Integrationsschulen sowie Schüler/-innen mit einem Förderbedarf bestehen würde. Je nach Aufwand sollen auch nicht behinderte Schüler/-innen einbezogen werden.

Generell habe jedes Kind ein Recht auf Bildung. Dies beziehe auch schwerst mehrfachbehinderte Kinder ein. Auf dem Weg dorthin seien aber Zwischenlösungen unabdingbar. Ein wesentlicher Aspekt in der Inklusionsentwicklung sei es, auch nicht pädagogisches Personal in ausreichender Zahl vorzuhalten, um Schülerinnen und Schülern mit einer Beeinträchtigung umfassend beschulen und bestmöglich fördern zu können.

Herr Mertens weist darauf hin, dass im Beirat auch die Kommunalen Spitzenverbände vertreten seien. Diese hätten ein hohes Interesse daran, wie sich die Finanzierung und Aufteilung der Kosten zwischen Land und Kommunen gestalten würde.

Frau Peters bedankt sich im Namen von Frau Daun und der beiden Fachgremien bei Herrn Prof. Dr. Lelgemann, Herrn Walter-Klose und Herrn Singer für ihre umfassenden Darstellungen und das ausführliche Eingehen auf die aufgeworfenen Fragen. Sie hofft, dass das Forschungs- und Entwicklungsprojekt zahlreiche Impulse für die spätere weitere Arbeit der beiden Gremien schaffen werde.

Der Schulausschuss fasst einstimmig folgenden Beschluss:

in den Beirat soll zusätzlich die Vorsitzende des Schulausschusses aufgenommen werden.

Der mündliche Vortrag von Herrn Prof. Dr. Lelgemann, Herrn Walter-Klose und Herrn Singer über ihr Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird zur Kenntnis genommen.
Der Vortrag ist als Anlage beigefügt.


Punkt 2
Bericht über die Tagung der Kultusministerkonferenz, "Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen", am 21. und 22. Juni 2010 in Bremen.
Vorlage 13/649

Frau Daun berichtet über die Diskussion in der Sitzung der Kommission Inklusion am 02.07.2010 zu diesem Thema und informiert über den Bericht, den Herr Mertens vorgetragen hat.
Frau Servos fragt an, ob sich der auf Seite 3 unter Ziffer 3 genannte Satz "In dieser Konsequenz folge ...: kein Sitzenbleiben und keine Notengebung ..." auf Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf beziehen würde oder zum Zuge käme, wenn das bisherige Schulsystem im Sinne von Inklusion geändert sei. Herr Mertens merkt an, dass das herkömmliche Notensystem bei einer inklusiven Beschulung nicht mehr möglich sei. Zentrale Frage sei, nach welchen Kriterien dann zu bewerten sei: nach Leistung und/oder nach sozialen Kompetenzen. Dies habe Auswirkungen auf das gesamte Schulsystem und würde zu einer neuen Bewertung der Leistungen führen. Herr Solf dankt ihm für den Ausblick zu einem neuen Bewertungssystem.

Frau Schmitt-Promny, MA, weist darauf hin, dass teilweise schon heute eine zieldifferenzierte Notengebung praktiziert werde. Angewendet im gesamten Schulsystem würde dies zu einem neu definierten Leistungsbegriff führen. Sie vertritt die Ansicht, die Kultusministerkonferenz sehe entgegen der Aussage der Verwaltung gleichwohl die Möglichkeit, allein aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) heraus einen individuellen Rechtsanspruch begründen zu können. Herr Mertens weist darauf hin, dass nach geltender Rechtsprechung Eltern aus der UN-BRK heraus keinen verbindlichen Rechtsanspruch herleiten könnten. Hier sei der Gesetzgeber NRW gefordert. Frau Daun merkt an, dass die UN-BRK zwar geltendes Recht für alle Staaten sei, die Verwirklichung in der Praxis aber oftmals problematisch sei.

Frau Pantel befürwortet offene Angebote in allen Schulformen und eine Vernetzung mit den Offenen Ganztagsschulen. Ihrer Meinung nach seien diese in den bisher geführten Diskussionen noch nicht berücksichtigt worden.

Frau Daun fasst zusammen, dass es sich um ein sehr komplexes und vielschichtiges Thema handelt und dankt allen Beteiligten für die angeregte Diskussion.

Der Bericht der Verwaltung wird gemäß Vorlage 13/649 zur Kenntnis genommen.


Goch, den 27.10.2010



Die Vorsitzende
des Schulausschusses


P e t e r s
Solingen, den 04.11.2010

Die Vorsitzende

der Kommission Inklusion


D a u n



Köln, den 4.10.2010

Der LVR-Direktor
In Vertretung


H o f f m a n n - B a d a c h e M e r t e n s





Anlagen: