LVIS Recherche - Vorlage
Der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland
Ergänzungsvorlage-Nr. 12/601/2
öffentlich
Datum:
10/19/2005
Dienststelle:
Amt 41
Bearbeitung:
Landesjugendhilfeausschuss03.11.2005empfehlender Beschluss
Tagesordnungspunkt:
Erziehungshilfe unter freiheitsbeschränkenden und -entziehenden Bedingungen
Beschlussvorschlag:
1. Der Landschaftsverband Rheinland (Landesjugendamt) hält im Zusammenhang mit der Betreuung erziehungsschwieriger Kinder und Jugendlicher freiheitsbeschränkende und - entziehende Erziehungshilfeangebote nur im Rahmen des in der Vorlage 12/601 LA dargelegten "Rheinischen Modells" für verantwortbar, bestätigt die entsprechenden Mindeststandards zum Schutz Minderjähriger und ermächtigt die Verwaltung, das Modell weiter zu entwickeln. Er lehnt nach wie vor institutionalisierte "geschlossene Unterbringung" ab und hält auf der Grundlage zivilrechtlicher Aufsichtspflicht Freiheitsentzug nur bei Vorliegen einer "Leib- oder Lebens-
gefahr" für zulässig und auch nur dann, wenn weniger intensiv in ein Minderjährigenrecht eingreifende Betreuungsformen nicht ausreichen. Die Verwaltung hat über die weitere Entwicklung jährlich zu berichten.


2. In seiner Beratungs - und Fortbildungsfunktion empfiehlt der Landschaftsverband Rheinland (Landesjugendamt), sonstige Intensivangebote - insbesondere solche mit Freiheitsbeschrän- kung - Konzepten unter freiheitsentziehenden Bedingungen vorzuziehen, sofern dadurch der Aufsichtsverantwortung in der konkreten Gefahrenlage des Einzelfalls Rechnung getragen werden kann.


3. Im rheinischen Wohngruppenverbund - Jugendheim Halfeshof - wird eine Wohngruppe zur Untersuchungshaftvermeidung nach § 71 Abs.2 Jugendgerichtsgesetz eingerichtet, die entsprechend Ziffer 5 des "Rheinischen Modells" ein freiheitsbeschränkendes Konzept umsetzt. Diese Wohngruppe ist auf drei Jahre befristet. Die Weiterführung bedarf einer erneuten Beschlussfassung. Es erfolgt eine fachliche Begleitung durch den LJHA-Unterausschuss "Struktur und Planung in der Jugendhilfe", erweitert um das beratende Mitglied des LJHA Frau Staatsanwältin Claudia Coleman.
Der Unterausschuss berichtet regelmäßig dem Landesjugendhilfe-ausschuss.


4. Die Verwaltung wird beauftragt, eine Veranstaltungsreihe zu Angeboten für schwierige Kinder und Jugendliche durchzuführen, die sich mit folgenden Themen befasst: "Erziehungshilfe-
konzepte für schwierige Kinder und Jugendliche", "Kooperation der Jugendhilfe mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie" sowie "Suchtproblematik". Dabei sind insbesondere das "Für" und "Wider" freiheitsentziehender Maßnahmen unter Betonung dieses Beschlusses zu thematisieren.
Finanzielle Auswirkungen:
Kosten der Maßnahme:keine
Im Haushaltsplan veranschlagt:Nein
Im Wirtschaftsplan veranschlagt:Nein
Mittel stehen zur Verfügung:Nein
Jährliche Folgekosten:keine
Unterschrift:
M o l s b e r g e r
Begründung der Vorlage Nr. 12/601/2:

1. Der Landesjugendhilfeausschuss hat in seiner Sitzung am 05.09.2005 den Beschlussvorschlag unter Punkt 3 einstimmig um folgende Punkte ergänzt:

- Befristung der Maßnahme auf drei Jahre

- Fachliche Begleitung durch einen Beirat, der sich aus Mitgliedern des Landesjugendhilfe- ausschusses (LJHA) zusammensetzt.

- Regelmäßige Berichterstattung des Beirates im LJHA

  2. In der Sitzung des Landschaftsausschusses am 30.9.2005 hat der Vorsitzende des LJHA zu Ziffer 3 des Beschlussvorschlags - die LJHA-Beratung vom 5.9. ergänzend - empfohlen, auf die Bildung eines Beirats zu verzichten und an Stelle dessen den LJHA-Unterausschuss "Struktur und Planung in der Jugendhilfe" mit der Begleitung der neu im rheinischen Jugendheim Halfeshof in Solingen einzurichtenden "Wohngruppe zur Untersuchungshaftvermeidung" zu beauftragen, erweitert um das beratende Mitglied des LJHA Frau Staatsanwältin Claudia Coleman. Darüberhinaus bat Frau Asch, den Beschlussvorschlag dahingehend zu konkretisieren, dass nach Ablauf der Dreijahresfrist der Landschaftsausschuss über die Weiterführung der Gruppe erneut beschließt.

Bemerkung zu 1 und 2 :Die Ergänzungen sind im Beschlussvorschlag eingearbeitet.

Der Landschaftsausschuss hat aufgrund dessen die Verwaltung gebeten, die Vorlage dem LJHA erneut vorzulegen. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die in Hamburg praktizierte "geschlossene Unterbringung" und einen Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 22.9.2005 mit der Überschrift "Das Gesetz der Faust, Gewalt und Medikamentencocktails - die Zustände in einem geschlossenen Hamburger Jugendheim beschäftigen Parlamentarier und Staatsanwaltschaft" (Anlage 2).

Die Verwaltung weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf, dass das zur Bestätigung dem Landschaftsausschuss vorgelegte "Rheinische Modell" gerade nicht die in Hamburg praktizierte institutionalisierte "geschlossene Grupppe" vorsieht, das heißt den eine gesamte Gruppe umfassenden Freiheitsentzug", vielmehr die mit besonderen Mindeststandards versehene "fakultativ geschlossene Gruppe" (Anlage 1, Ziffer 3) Das "Rheinische Modell" schließt mithin insbesondere aus, dass alle in einer Intensivgruppe Betreuten unter freiheitsentziehenden Bedingungen erzogen werden und damit die Gefahr besteht, dem individuellen Erziehungsauftrag des § 27 Abs. 2 SGB VIII nicht zu entsprechen. Damit stehen auch die für "geschlossene Gruppen" typischen Selbst- und Fremdgefährdungen nicht im Vordergrund. Auch wird die Einhaltung der Minderjährigenrechte in freiheitsbeschränkenden und -entziehenden Angeboten sicher gestellt. Das "Rheinische Modell" ist daher ein deutlicher Kontrapunkt zum Hamburger Konzept.  

Der Text der Ursprungsvorlage folgt auf den nächsten Seiten.

  

In Vertretung

M e r t e n s

Anlagen: