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Antrag-Nr. 12/380
öffentlich
Datum:
02/20/2009
Antragsteller:
Bündnis 90/DIE GRÜNEN, FDP, SPD
Schulausschuss02.03.2009Beratung
Sozialausschuss03.03.2009Beratung
Landesjugendhilfeausschuss09.03.2009Beratung
Finanz- und Wirtschaftsausschuss20.03.2009Beratung
Landschaftsausschuss26.03.2009Beschluss
Landschaftsversammlung27.03.2009Beschluss
Tagesordnungspunkt:
NKF-Haushalt 2009:
Individuelle Bildungsplanung von Anfang an für Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung
Beschlussvorschlag:

Kinder mit Behinderung müssen in unserem Bildungssystem so gefördert werden, dass sie ihre Potentiale bestmöglich entfalten können.

Ziel jeder Eingliederungshilfe ist es daher, dass Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung gleichberechtigt mit Kindern ohne Behinderung in ihrem sozialen Umfeld aufwachsen und einen barrierefreien Zugang zu allen Bildungseinrichtungen erhalten. Insofern ist die Integration der Kinder von Anfang an in allen schulischen und außerschulischen Bereichen und in den Kindertagesstätten Ziel der Koordination aller am individuellen Bildungs- und Förderprozess der Kinder Beteiligten.

Die Verwaltung wird deshalb beauftragt, ein Konzept für eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Förder- und Bildungsplanung von Kindern mit Behinderung oder drohender Behinderung von Anfang an zu erarbeiten

Dazu gehört im Einzelnen:

·        Die Abstimmung eines individuellen Bildungs- und Förderplanes für Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung mit den Kindern und deren Personensorgeberechtigten.

·        Die Abstimmung einer in sich geschlossenen und aufeinander aufbauenden medizinisch-therapeutischen und heil- oder sonderpädagogischen Förderung möglichst in der Regeleinrichtung.

·        Die Information und Beratung über alle individuell einzuleitenden Maßnahmen in enger Kooperation mit den Einrichtungen, Trägern und Kostenträgern und deren Koordination.

·        Das Träger übergreifende Budget inklusive der Kita- oder Schulträgerkosten zur Deckung aller im individuellen Bildungs- und Förderplan festgelegten Maßnahmen

·        Eine wohnortnahe und integrative Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung.

Ferner wird die Verwaltung gebeten, zwei mögliche Modellstandorte für die Umsetzung einer solchen individuellen Bildungsplanung von Anfang im Rheinland ausfindig zu machen und Sondierungsgespräche zur Umsetzung des Modellvorhabens zu führen.

Die Verwaltung legt den zuständigen Gremien ein Konzept bis spätestens Oktober 2009 vor.

 

 

Begründung:

Am 3. Mai 2008 trat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Kraft. Sie begründet ein internationales Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung und verlangt von den Vertragsstaaten, Inklusion und ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen zu gewährleisten. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten zudem, über geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Kinder mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen, nichtbehinderten Kindern an Spiel-, Freizeit- und Sportaktivitäten teilnehmen können, einschließlich des schulischen Bereichs. So sollen Kinder mit Behinderung - wie alle anderen Kinder auch - lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und als Mitglieder einer Gemeinschaft nicht nur zu erleichtern, sondern dauerhaft sicher zu stellen.

Die Grundgedanken der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung sind vielfach bereits Teil der bundesdeutschen Schul-, Gesundheits-, Jugend- und Sozialgesetzgebung. An einer Abstimmung der einzelnen Maßnahmen und Hilfesysteme zur früheren, gezielteren und bedarfsgerechten Förderung von Kindern mit Behinderung oder drohender Behinderung mangelt es aber vielfach.

Um Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung bedarfsgerecht fördern zu können, bedarf es einer in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Bildungs- und Förderplanung von Anfang an. Diese umfasst alle medizinisch-therapeutischen und heil- oder sonderpädagogischen Maßnahmen zuhause, in der Tageseinrichtung für Kinder oder in der Schule. Dabei müssen die Übergänge von der interdiziplinären Frühförderung oder dem Sozialpädiatrischen Zentrum in die Tageseinrichtung für Kinder und von der Tageseinrichtung für Kinder in die Schule derart gesteuert und begleitet werden, dass keine diagnostischen Erkenntnisse verloren gehen und an die laufenden Fördermaßnahmen unmittelbar angeknüpft wird bzw. diese sinnvoll unterstützt werden. Nur eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Abstimmung genau an den Schnittstellen zwischen den Kindern und deren Sorgeberechtigten und den Mitarbeitern/-innen in den unterschiedlichen Hilfesystemen, aber auch zwischen den unterschiedlichen Kostenträgern vom örtlich zuständigen Jugend- oder Sozial- und Gesundheitsamt, über die unterschiedlichen Schulträger, die überörtlichen Sozialhilfeträger bis hin zu den Kranken- und Pflegekassen und unter besonderen Umständen der Rentenversicherungsträger garantiert reibungslose Übergänge und eine in sich geschlossene Förderung und Hilfe.

Eine in sich geschlossene und aufeinander abgestimmte Bildungs- und Förderplanung muss in der Kommune und mit Zustimmung und unter Beteiligung aller am Förderprozess Beteiligten durch eine Koordinierungs- und Kontaktstelle abgestimmt werden.

Eine bedarfsgerechte Förderung der Kinder ist aber unabhängig von dem Ort, an dem die jeweilige Maßnahme umgesetzt wird. Wichtig allein ist, dass die notwendigen Fördermaßnahmen in die Lebenswelt des Kindes eingepasst und auf den individuellen Tagesablauf abgestimmt werden. Zielperspektive ist, dass auch medizinisch-therapeutische Leistungen in einer nicht ausschließlich heilpädagogisch ausgerichteten Tageseinrichtung für Kinder angeboten werden oder ein Kind mit sonderpädagogischen Förderbedarf in einer Regelschule beschult wird und die Regeleinr ichtung oder –schule in die Lage versetzt wird, den individuellen Hilfebedarf zu decken. Wichtig allein für das Kind ist, dass es bedarfsgerecht in seiner Lebenswelt gefördert wird. Eine Koordinierungs- und Kontaktstelle kann die unterschiedlichen Förder- und Hilfsmaßnahmen aus den unterschiedlichen Hilfesystemen zusammenführen, aufeinander abstimmen und dem individuellen Förderbedarf entsprechend einsteuern.

Eine bedarfsgerechte Förderung ist demnach ortsunabhängig, aber abhängig von der Lebenswelt der Kinder. Eine Koordinierungs- und Kontaktstelle kann demnach die individuelle Förderung und Hilfe zum Kind in dessen soziales Umfeld bringen.

Die Organisation und Finanzierung einer nicht aufeinander abgestimmten Förderung und Hilfe für Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung und die Förderung und Hilfe der Kinder, die einzig und allein abhängig gemacht wird von dem Organisationsbedarf des jeweiligen Hilfesystems in der Frühförderung, in dem SPZ, in der heilpädagogischen, integrativen oder jeder anderen Tageseinrichtung für Kinder oder in der Regel- oder Förderschule ist unter Umständen aufwendiger, als sie im Interesse des Kindes unmittelbar zur Deckung des individuellen Förder- und Hilfebedarfes zusammen zu fassen. Trägerübergreifende, persönliches Budgets über alle Kostenträger hinweg, ergänzt um alle Kita- oder Schulträgerkosten (z.B. Sonderpädagogen/-innen), decken den im individuellen Bildungs- und Förderplan festgestellten und abgestimmten Förder- und Hilfebedarf eines Kindes mit drohender oder latenter Behinderung ohne Abzug einzelner Maßnahmen. So werden alle finanziellen Ressourcen gebündelt, um Kinder mit Behinderung unabhängig vom Ort zu fördern, zu begleiten und vor allem von Anfang an in seiner Lebenswelt als Mitglied einer Gemeinschaft unabhängig vom Grad der Behinderung an Bildung teilnehmen zu lassen.

Erst wenn die materiellen und sächlichen Voraussetzungen vor Ort unter Zuhilfenahme einer unabhängigen und dienstleistungsorientierten Koordinierungs- und Kontaktstelle und in Abstimmung mit allen an einem Förder- und Hilfeprozess Beteiligten geschaffen sind und ein in sich geschlossener und aufeinander abgestimmter Förder- und Hilfeplan umgesetzt und ausfinanziert ist, wird es möglich sein, Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung von Anfang an voll und gleichberechtigt am Bildungssystem teilhaben zu lassen und als Mitglied in der Gemeinschaft zu integrieren. Diesen Prozess gilt es anzustoßen und zu begleiten.

Unterschriften:
Ulrike Kessing
Hans-Otto Runkler
Thomas Böll
Anlagen:
  • Keine Anlagen vorhanden