LVIS Recherche - Vorlage
Der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland
Vorlage-Nr. 12/3985
öffentlich
Datum:
01/26/2009
Dienststelle:
Amt 84
Bearbeitung:
Frau Kubny-Lüke
Kommission Europa / Migration10.02.2009zur Kenntnis
Gesundheitsausschuss13.03.2009zur Kenntnis
Tagesordnungspunkt:
Hilfen für psychisch kranke Flüchtlinge
Kenntnisnahme:
Das Programm für das Forum "Hilfen für psychisch kranke Flüchtlinge" wird gemäß Vorlage Nr. 12/3985 zur Kenntnis genommen.
Finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt (lfd. Jahr):
Produktgruppe:062 "Psychiatrische Versorgung im Rheinland"
Erträge:€ 1.600
Veranschlagt im (Teil-)Ergebnisplan

Einzahlungen:
Veranschlagt im (Teil-)Finanzplan
Bei Investitionen: Gesamtkosten der Maßnahme:

Jährliche ergebniswirksame Folgekosten:
Die gebildeten Budgets werden unter Beachtung der Ziele eingehalten
Unterschrift:
In Vertretung


L u b e k
Begründung der Vorlage Nr. 12/3985:

1.         Ausgangslage

Der Landschaftsverband setzt sich seit einigen Jahren dafür ein, dass das klinische und außerklinische gemeindepsychiatrische Hilfesystem auch der besonderen Situation von psychisch kranken Menschen mit einem Migrationshintergrund gerecht wird. Hierzu fördert er Maßnahmen zur Weiterentwicklung migrantenspezifischer Angebote in seinen LVR-Kliniken sowie aktuell vier Sozialpsychiatrische Kompetenzzentren Migration (SPKoM) an den Standorten Köln, Duisburg, Solingen (Region Bergisches Land) und Eitorf (Region Südliches Rheinland).

Ziel der Förderung im klinischen sowie im außerklinischen Bereich ist es, die spezifischen Benachteiligungen von psychisch kranken Migrantinnen und Migranten abzubauen sowie zielgruppenspezifische und kultursensible Behandlungs- und Versorgungsansätze zu entwickeln.

Zu der Personengruppe der Migrantinnen und Migranten zählen dabei nicht nur die „Gastarbeiter“ der ersten Generation sowie ihre Familien oder Spätaussiedler, sondern auch Flüchtlinge, also Menschen, die ihr Heimatland verlassen haben, weil sie durch  Verfolgung auf Grund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Meinung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder durch Kriegshandlungen bedroht sind und um Aufnahme in einem anderen Land gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention  nachsuchen.

Innerhalb der Gruppe der psychisch kranken Migrantinnen und Migranten nehmen Flüchtlinge nochmals eine besondere Rolle ein. So sind sie besonders häufig von einer psychischen Erkrankung betroffen. Flüchtlinge verlassen ihre Heimat unter starkem Druck und großer Not. Sie haben in ihrem Herkunftsland Elend und Leid erlebt und unter seelischer oder körperlicher Gewalt gelitten oder sich von dieser bedroht gesehen. Es kann von daher niemanden wundern, dass laut wissenschaftlicher Untersuchungen ca. 40 % der Flüchtlinge, die Deutschland erreichen, unter Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leiden und umfangreiche Hilfen benötigen, um diese zu überwinden.

2.         Situation psychisch kranker Flüchtlinge in Deutschland

Im Jahr 2007 stellten in Deutschland 19.164 Menschen einen Asylerstantrag und weitere 11.139 Menschen einen Asylfolgeantrag. Die meisten der Asylerstanträge stammten von Menschen aus dem Irak (22,6 %), gefolgt von Menschen aus Serbien (10,4 %), der Türkei (7,5 %), Vietnam (5,2 %), der Russischen Föderation (4,0%), Syrien und der Arabischen Republik (3,3 %), dem Iran und der Islamischen Republik (3,3 %), dem Libanon (3,1 %), Nigeria (2,6 %) und Indien (2,2 %).

2007 wurden insgesamt in 28.572 Asylantragsverfahren Entscheidungen gefällt. In 304 (1,1 %) Fällen wurde gemäß Art. 16a GG und Familienasyl eine Asylberechtigung anerkannt. 6.893 Personen (24,1 %) erhielten eine Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthaltG. und bei weiteren 673 Personen (2,4 %) wurde ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2,3,5 u. 7 AufenthaltG festgestellt. Abgelehnt wurden die Anträge von 12.749 Personen (44,6 %) und weitere 7.953 Asylverfahren (24,8 %) wurden aufgrund einer formellen Entscheidung beendet. (Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asyl in Zahlen 2007)

Zurzeit leben mehr als 165.000 Ausländerinnen und Ausländer mit einem Duldungsstatus in Deutschland, ca. 44.000 Menschen davon in Nordrhein-Westfalen. Hierunter befinden sich zahlreiche Flüchtlinge, die aufgrund ihres Flucht- bzw. Verfolgungsschicksals krank und traumatisiert sind und Abschiebungsschutz bzw. ein Abschiebungsverbot haben oder über deren Asylantrag noch nicht abschließend entschieden ist. Die psychischen und psychosomatischen Erkrankungen verschlimmern sich, wenn sie nicht angemessen behandelt werden können und auch die unsichere Lebenssituation dieser Flüchtlinge trägt nicht zu einer Gesundung bei.

Die für viele psychisch kranke Flüchtlinge dringend notwendige Inanspruchnahme von Hilfen gestaltet sich jedoch schwieriger als für andere Gruppen von psychisch kranken Migrantinnen und Migranten.

Zusätzlich zu den sprachlichen und kulturellen Barrieren erschweren verschiedene rechtliche Regelungen Flüchtlingen den Zugang zu vielen Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens. So ist ein noch ungeklärter Aufenthaltsstatus oder eine Duldung mit hohen Auflagen bei der Lebensgestaltung verbunden. Die sogenannte Residenzpflicht kann z.B. psychisch kranke Flüchtlinge darin hindern, muttersprachliche Beratungs- und Therapieangebote, z.B. von einem Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge an einem anderen Ort, aufzusuchen.

Erschwerend wirkt sich auf ihre Gesamtsituation zudem aus, dass sie meist nur über geringe finanzielle Mittel verfügen und in Flüchtlingsheimen unter beengten Verhältnissen mit geringer Privatsphäre leben. Sie haben dabei kaum die Möglichkeit ihre Lebenssituation durch eigene Anstrengung zu verändern oder zu verbessern, denn  in der Regel unterliegen sie aufgrund schwebender Verfahren zur Klärung des Aufenthaltstitels einem zeitweisen Arbeitsverbot. Dies führt nicht nur dazu, dass die betroffenen Menschen in Armut leben, sondern auch zu Langeweile und einem öden Tagesablauf, aufgrund der erzwungenen Untätigkeit.

Die häufig über einen Zeitraum von Monaten bis Jahren sehr unsichere Zukunftsperspektive, die andauernde Angst abgeschoben zu werden, aber auch Befragungssituationen vor Gericht oder zur Erstellung von Gutachten können dazu führen, dass traumatisierte Flüchtlinge immer wieder Situationen der Re-Traumatisierung erleben, die ihre psychische Situation weiter verschlechtern und die Gefahr der Chronifizierung des Traumas verstärken. 

3.         Veranstaltung „Hilfen für psychisch kranke Flüchtlinge“

Um einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungssituation für psychisch kranke und traumatisierte Flüchtlinge zu leisten und die Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Stellen zu intensivieren, führt das Dezernat Gesundheit und Heilpädagogisches Netzwerk in Kooperation mit der Uno-Flüchtlingshilfe e.V. sowie den Sozialpsychiatrischen Kompetenzzentren Migration (SPKoM) am 19. Mai 2009 in Köln eine Veranstaltung mit dem Titel „Hilfen für psychisch kranke Flüchtlinge“ durch.

Ziel der Veranstaltung ist es, zum einen eine vertiefende Auseinandersetzung mit der komplizierten Rechtssituation psychisch kranker Flüchtlinge bei der Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens zu ermöglichen. Zum anderen soll Fachleuten der gemeindepsychiatrischen Behandlung und Versorgung sowie der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge ein Forum geboten werden, ihre Leistungen und spezifischen Angebote darzustellen und sich miteinander zu vernetzen und auszutauschen.

Der Programmflyer zu dieser Tagungsveranstaltung sowie die Tagungsdokumentation der Fachveranstaltung 2008 „Interkulturalität in der Gemeindepsychiatrie“ liegen als Anlage bei.

In Vertretung

L u b e k