LVIS Recherche - Vorlage
Die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland
Vorlage-Nr. 13/2526
öffentlich
Datum:
02/13/2013
Dienststelle:
LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
Bearbeitung:
Herr Prof. Dr. Kunow
Kulturausschuss20.02.2013empfehlender Beschluss
Finanz- und Wirtschaftsausschuss13.03.2013empfehlender Beschluss
Landschaftsausschuss15.03.2013Beschluss
Tagesordnungspunkt:
Auswirkungen zweier Urteile des Oberverwaltungsgerichtes Münster auf die Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen;
hier: Zustimmung zu außer- bzw. überplanmäßigen Aufwendungen
Beschlussvorschlag:
1) Der in der Vorlage 13/2526 dargestellte Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.
2) Den aus Verursachergrabungen resultierenden und erforderlichen außer- bzw. überplanmäßigen Aufwendungen wird zugestimmt. Die politischen Gremien werden über derartige Fälle zeitnah informiert.
Finanzielle Auswirkungen auf den Haushalt (lfd. Jahr):
Produktgruppe:031
Erträge:
Veranschlagt im (Teil-)Ergebnisplan

nein
Einzahlungen:
Veranschlagt im (Teil-)Finanzplannein
Bei Investitionen: Gesamtkosten der Maßnahme:

Jährliche ergebniswirksame Folgekosten:
Die gebildeten Budgets werden unter Beachtung der Ziele eingehalten
Unterschrift:
L u b e k
Zusammenfassung:

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat mit zwei Urteilen vom 20.09.2011 zur Kostentragungspflicht bei archäologischen Ausgrabungen (10 A 1995/09) und zur Berücksichtigung konstitutiv geschützter Bodendenkmäler bei der Abwägung in Planfeststellungsverfahren (10 A 2611/09) Grundsatzentscheidungen getroffen, die der seit rd. 20 Jahren im Rheinland ausgeübten und von verschiedenen Verwaltungsgerichten bislang bestätigten bodendenkmalpflegerischen Praxis widersprechen. In Konsequenz haben die Denkmalfachämter Verpflichtungen für Grabungen und die Erfassung von Bodendenkmälern, die weder mit der derzeitigen personellen noch mit der finanziellen Ausgestaltung der Fachämter zu leisten sind. Grundgedanke der jahrzehntelangen Praxis war, dass Kosten für die Sicherung von Bodendenkmälern (also sog. Rettungsgrabungen), die unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung durch wirtschaftliche Aktivitäten entstehen, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von ihrem Veranlasser und nicht von der Allgemeinheit finanziell zu tragen sind.

Vor dem Hintergrund des OVG-Urteils zum sog. Verursacherprinzip wurden zwischenzeitlich Erstattungsansprüche direkt gegenüber dem LVR geltend gemacht. Gestützt werden diese vermeintlichen Ansprüche u.a. auf Amtspflichtverletzung bzw. Geschäftsführung ohne Auftrag nach den Vorschriften des BGB. In drei Fällen wurde zwischenzeitlich Klage erhoben. Es betrifft zum einen eine Forderung in Höhe von 95.000 €; über diese wurde noch nicht entschieden. In einem zweiten Fall geht es um ca. 66.000 €. Über diese Forderung wurde zwischenzeitlich erstinstanzlich zu Lasten des LVR entschieden. Die Zulassung der Berufung wurde beantragt.

Zudem wurde durch eine Abgrabungsfirma ein Anspruch in Höhe von 370.000 € gegenüber einer Kommune im Klageweg geltend gemacht. Der Klage wurde durch das Landgericht Aachen vollumfänglich unter Abtretung der Ersatzansprüche der Abgrabungsfirma gegenüber dem LVR stattgegeben, so dass hier ebenfalls eine Regressforderung gegenüber dem LVR zu erwarten ist. Seitens des LVR ist beabsichtigt, Berufung einzulegen. Mit einer Vielzahl vergleichbarer Klagen ist zu rechnen.

Vorsorglich wurde der Haftpflichtversicherer des LVR eingeschaltet.

Sollten sich die jeweiligen Kläger mit ihren Ansprüchen verwaltungs- bzw. zivilrechtlich rechtskräftig durchsetzen – was momentan nicht abschließend beurteilt werden kann –, kämen möglicherweise beträchtliche Forderungen auf den LVR resp. der betroffenen Kommunen zu. Eine überschlägige Hochrechnung ergab, dass sich allein die drittfinanzierten archäologischen Maßnahmen im Rheinland in den letzten beiden Jahren auf insgesamt bis zu 18 Mio. € belaufen könnten.

Anlässlich der beiden OVG-Urteile werden im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung diese Probleme der Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen (Ziffer 4 2 99-4305) sehr exakt benannt und die „Gesetzesänderung für den Bereich der Bodendenkmalpflege (als) unabdingbar“ bezeichnet. Konkret heißt es dort: „Materiell müssen folgende drei Güter neu festgelegt werden: Das Veranlasserprinzip, ein Schatzregal und ein deklaratorisches Eintragungsverfahren für Bodendenkmäler.“

Hierbei ist für die zurückliegenden Zeiträume auch der Tatbestand der Verjährung im Einzelfall zu berücksichtigen. Daher ist eine konkrete Ermittlung der Höhe möglicher Erstattungsforderungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit hinreichender Sicherheit möglich.

Ohne das Verursacherprinzip kommen auf die öffentliche Hand Mehrkosten von über 30 Mio € p.a. zu, wobei noch nicht klar ist, wer diese übernimmt.

Seitens des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW (MBWSV) wurde bereits ein Rechtsgutachten zu Fragen der Änderung des Denkmalschutzgesetzes NW beauftragt. Das Gutachten von Herrn Professor Oebbecke, das nunmehr vorliegt, sieht eine Änderung des DSchG NW als absolut notwendig an und macht hierzu versch iedene Vorschläge; das zuständige MBWSV arbeitet in der Umsetzung des Koalitionsvertrages aktuell an einem Gesetzesentwurf.

Die Verwaltung hat zwischenzeitlich eine im Verwaltungsrecht ausgewiesene  Kanzlei beauftragt, die den LVR in den momentan anhängigen Verfahren vertritt.


Begründung:
Anlagen:
  • Keine Anlagen vorhanden