LVIS Recherche - Anfrage
Logo: Fraktion DIE LINKE.
in der Landschaftsversammlung Rheinland

Anfrage-Nr. 13/53
öffentlich
Datum:
01/08/2014
Anfragesteller:
Die Linke.
Krankenhausausschuss 320.01.2014zur Kenntnis
Krankenhausausschuss 221.01.2014zur Kenntnis
Krankenhausausschuss 422.01.2014zur Kenntnis
Krankenhausausschuss 123.01.2014zur Kenntnis
Gesundheitsausschuss24.01.2014zur Kenntnis
Tagesordnungspunkt:
Anfragen der Fraktionen - Untersuchungspraxis in den LVR-Kliniken
Fragen/Begründung:

Anfrage

-        Sind an den LVR-Kliniken allgemeine körperliche Voruntersuchungen bei der Aufnahme und sind Untersuchungen im Laufe des Behandlungsprozesses  vorgesehen?

-   Welche somatischen Untersuchungen werden in den einzelnen LVR-Kliniken bei stationär behandelten Patientinnen und Patienten, welche bei Tagespatientinnen und -patienten durchgeführt?

-         Welche Befunde wurden erfasst und bei wie viel Prozent der Patientinnen und Patienten wurde  mindestens ein krankhafter körperlicher Befund festgestellt?

-         Bei welchen psychiatrischen Diagnosen wurden körperliche Befunde festgestellt?

Begründung

Eine hohe Komorbidität psychischer und somatischer Erkrankungen ist wissenschaftlich belegt.1 Das bedeutet, dass somatisch Erkrankte  ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen haben, und ebenso andersherum. Bei der psychiatrischen Diagnostik ist ein Ausschluss organischer Erkrankungen wichtig, da sich hinter psychiatrischen Krankheitsanzeichen auch körperliche Ursachen verbergen oder diese mit bedingen können. Schilddrüsenhormone beispielsweise haben Eigenschaften, welche die Psyche beeinflussen können. Als Folge einer veränderten psychischen Grundstimmung wird auch das Verhalten verändert, so dass Störungen im Schilddrüsenhormonhaushalt zu deutlichen Wesensveränderungen führen können. Aufgrund dieser Auswirkungen auf die Psyche besteht ein erhebliches Risiko, dass Schilddrüsenerkrankungen als psychische Störungen fehldiagnostiziert werden, besonders am Beginn der Erkrankung, wenn erst wenige Symptome vorhanden und die Blutwerte noch unauffällig sind oder die psychischen Symptome den organischen Beschwerden vorangehen.2

Als weiteres Beispiel lässt sich Diabetes nennen, welches neueren Studien zufolge  das Risiko erhöht, psychisch zu erkranken. Jede/r zehnte Diabetiker/in zeigt ausgeprägte Symptome der Belastung wie Depression oder Angst. Diabetiker/innen werden bei einer Unterzuckerung albern, gereizt oder aggressiv, bei einer Überzuckerung treten Symptome auf wie Schwäche, Mattigkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen.3 All diese Symptome können auch bei einer Psychose auftreten.Psychischer Stress gilt bei Diabetikern als eine wesentliche Ursache für das erhöhte Risiko Folgeerkrankungen des Diabetes zu entwickeln. Die genauen Zusammenhänge zwischen Diabetes und Depression sind noch ungeklärt. Zu den biologischen Gemeinsamkeiten zwischen Depression und Diabetes zählen aber eine veränderte Ausschüttung von Hormonen wie Kortisol, Serotonin und Noradrenalin. Aktuelle Studien belegen, dass sich das Auftreten von Depression und Diabetes in beide Richtungen ungünstig auswirkt. Depressionen können das Folgerisiko von Diabetes um etwa 60% erhöhen und umgekehrt steigt das Depressionsrisiko bei einem schon bestehenden Diabetes um etwa 20%.5

Auch Erkrankungen wie etwa eine Gehirnentzündung oder ein Schädel-Hirn-Trauma führen zu aggressivem Verhalten und müssen vorher erkannt werden. Trotzdem gibt es keine standardisierte disziplinenübergreifende Kooperation, um sicherzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose zunächst somatische Erkrankungen für das Vorliegen von psychotischen Symptomen ausschließen und Mehrfachdiagnosen nachgehen. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, muss bei der Behandlung einer Erkrankung daher das mögliche Vorliegen anderer Erkrankungen mit berücksichtigt werden. Der Behandlungserfolg ist entscheidend davon abhängig, ob das Gesamtwohl der Patientin oder des Patienten im Vordergrund steht.

Erst durch eine sorgfältige neurologische und internistische Untersuchung mit laborchemischen Tests und apparativen Verfahren können somatische Ursachen vor einer psychiatrischen Behandlung ausgeschlossen werden. Ebenso wichtig ist die regelmäßige Untersuchung während einer Therapiemaßnahme. Denn auch durch die medikamentöse Behandlung besteht ein stark erhöhtes somatisches Erkrankungsrisiko, was durch amerikanische und kanadische Studien belegt worden ist. Um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden oder möglichst gering zu halten, sind somatische Untersuchungen unerlässlich. Die Patientin/ der Patient hat einen Anspruch darauf, in ihrer/ seiner  körperlich-seelischen Gesamtheit gesehen und ernstgenommen zu werden.  Dazu gehört in der  Allgemeinmedizin ebenso wie in der Psychiatrie eine vollständige, also auch körperliche Untersuchung.

1 vgl. Deutsches Ärzteblatt, Artikel von Wolfgang Gaebel u.a.: "Inanspruchnahme des Versorgungssystems bei psychischen Erkrankungen".

2 vgl.  http://www.schilddruesenguide.de/sd_psyche.html

3 vgl. Barmer GEK (Hrsg.): Unter- und Überzuckerung bei Diabetes, Wuppertal 2010.

4 vgl. http://www.psychose.de/wissen-ueber-psychosen-05.html

5 vgl. http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=1237

Unterschrift:

Felix Schulte
(Fraktionsgeschäftsführer Die Linke)

Felix Schulte
(Fraktionsgeschäftsführer Die Linke)

Anlagen:
  • Keine Anlagen vorhanden