Antrag-Nr. 12/380
Beschlussvorschlag:
Kinder mit Behinderung müssen in
unserem Bildungssystem so gefördert werden, dass sie ihre Potentiale bestmöglich
entfalten können.
Ziel jeder Eingliederungshilfe ist
es daher, dass Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung
gleichberechtigt mit Kindern ohne Behinderung in ihrem sozialen Umfeld
aufwachsen und einen barrierefreien Zugang zu allen Bildungseinrichtungen
erhalten. Insofern ist die Integration der Kinder von Anfang an in allen
schulischen und außerschulischen Bereichen und in den Kindertagesstätten Ziel
der Koordination aller am individuellen Bildungs- und Förderprozess der Kinder
Beteiligten.
Die Verwaltung wird
deshalb beauftragt, ein Konzept für eine bedarfsgerechte und wohnortnahe
Förder- und Bildungsplanung von Kindern mit Behinderung oder drohender
Behinderung von Anfang an zu erarbeiten
Dazu gehört im
Einzelnen:
·
Die
Abstimmung eines individuellen Bildungs- und Förderplanes für Kinder mit
Behinderung oder drohender Behinderung mit den Kindern und deren
Personensorgeberechtigten.
·
Die
Abstimmung einer in sich geschlossenen und aufeinander aufbauenden
medizinisch-therapeutischen und heil- oder sonderpädagogischen Förderung
möglichst in der Regeleinrichtung.
·
Die
Information und Beratung über alle individuell einzuleitenden Maßnahmen in enger
Kooperation mit den Einrichtungen, Trägern und Kostenträgern und deren
Koordination.
·
Das
Träger übergreifende Budget inklusive der Kita- oder Schulträgerkosten zur
Deckung aller im individuellen Bildungs- und Förderplan festgelegten
Maßnahmen
·
Eine
wohnortnahe und integrative Jugendhilfe- und
Schulentwicklungsplanung.
Ferner wird die Verwaltung gebeten,
zwei mögliche Modellstandorte für die Umsetzung einer solchen individuellen
Bildungsplanung von Anfang im Rheinland ausfindig zu machen und
Sondierungsgespräche zur Umsetzung des Modellvorhabens zu führen.
Die Verwaltung legt den zuständigen
Gremien ein Konzept bis spätestens Oktober 2009 vor.
Begründung:
Am 3. Mai 2008 trat die
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Kraft. Sie
begründet ein internationales Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung und
verlangt von den Vertragsstaaten, Inklusion und ein integratives Bildungssystem
auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen zu gewährleisten. Sie verpflichtet die
Vertragsstaaten zudem, über geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Kinder mit
Behinderung gleichberechtigt mit anderen, nichtbehinderten Kindern an Spiel-,
Freizeit- und Sportaktivitäten teilnehmen können, einschließlich des schulischen
Bereichs. So sollen Kinder mit Behinderung - wie alle anderen Kinder auch -
lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen erwerben, um ihre volle
und gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und als Mitglieder einer Gemeinschaft
nicht nur zu erleichtern, sondern dauerhaft sicher zu stellen.
Die Grundgedanken der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderung sind vielfach bereits Teil der
bundesdeutschen Schul-, Gesundheits-, Jugend- und Sozialgesetzgebung. An einer
Abstimmung der einzelnen Maßnahmen und Hilfesysteme zur früheren, gezielteren
und bedarfsgerechten Förderung von Kindern mit Behinderung oder drohender
Behinderung mangelt es aber vielfach.
Um Kinder mit Behinderung oder
drohender Behinderung bedarfsgerecht fördern zu können, bedarf es einer in sich
geschlossenen und aufeinander abgestimmten Bildungs- und Förderplanung von
Anfang an. Diese umfasst alle medizinisch-therapeutischen und heil- oder
sonderpädagogischen Maßnahmen zuhause, in der Tageseinrichtung für Kinder oder
in der Schule. Dabei müssen die Übergänge von der interdiziplinären
Frühförderung oder dem Sozialpädiatrischen Zentrum in die Tageseinrichtung für
Kinder und von der Tageseinrichtung für Kinder in die Schule derart gesteuert
und begleitet werden, dass keine diagnostischen Erkenntnisse verloren gehen und
an die laufenden Fördermaßnahmen unmittelbar angeknüpft wird bzw. diese sinnvoll
unterstützt werden. Nur eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Abstimmung
genau an den Schnittstellen zwischen den Kindern und deren Sorgeberechtigten und
den Mitarbeitern/-innen in den unterschiedlichen Hilfesystemen, aber auch
zwischen den unterschiedlichen Kostenträgern vom örtlich zuständigen Jugend-
oder Sozial- und Gesundheitsamt, über die unterschiedlichen Schulträger, die
überörtlichen Sozialhilfeträger bis hin zu den Kranken- und Pflegekassen und unter besonderen
Umständen der Rentenversicherungsträger garantiert reibungslose Übergänge und
eine in sich geschlossene Förderung und Hilfe.
Eine in sich geschlossene und
aufeinander abgestimmte Bildungs- und Förderplanung muss in der Kommune und mit
Zustimmung und unter Beteiligung aller am Förderprozess Beteiligten durch eine
Koordinierungs- und Kontaktstelle abgestimmt werden.
Eine bedarfsgerechte Förderung der
Kinder ist aber unabhängig von dem Ort, an dem die jeweilige Maßnahme umgesetzt
wird. Wichtig allein ist, dass die notwendigen Fördermaßnahmen in die Lebenswelt
des Kindes eingepasst und auf den individuellen Tagesablauf abgestimmt werden.
Zielperspektive ist, dass auch medizinisch-therapeutische Leistungen in einer
nicht ausschließlich heilpädagogisch ausgerichteten Tageseinrichtung für Kinder
angeboten werden oder ein Kind mit sonderpädagogischen Förderbedarf in einer
Regelschule beschult wird und die Regeleinr ichtung oder –schule in die Lage
versetzt wird, den individuellen Hilfebedarf zu decken. Wichtig allein für das
Kind ist, dass es bedarfsgerecht in seiner Lebenswelt gefördert wird. Eine
Koordinierungs- und Kontaktstelle kann die unterschiedlichen Förder- und
Hilfsmaßnahmen aus den unterschiedlichen Hilfesystemen zusammenführen,
aufeinander abstimmen und dem individuellen Förderbedarf entsprechend
einsteuern.
Eine bedarfsgerechte Förderung ist
demnach ortsunabhängig, aber abhängig von der Lebenswelt der Kinder. Eine
Koordinierungs- und Kontaktstelle kann demnach die individuelle Förderung und
Hilfe zum Kind in dessen soziales Umfeld bringen.
Die Organisation und Finanzierung
einer nicht aufeinander abgestimmten Förderung und Hilfe für Kinder mit
Behinderung oder drohender Behinderung und die Förderung und Hilfe der Kinder,
die einzig und allein abhängig gemacht wird von dem Organisationsbedarf des
jeweiligen Hilfesystems in der Frühförderung, in dem SPZ, in der
heilpädagogischen, integrativen oder jeder anderen Tageseinrichtung für Kinder
oder in der Regel- oder Förderschule ist unter Umständen aufwendiger, als sie im
Interesse des Kindes unmittelbar zur Deckung des individuellen Förder- und
Hilfebedarfes zusammen zu fassen. Trägerübergreifende, persönliches Budgets über
alle Kostenträger hinweg, ergänzt um alle Kita- oder Schulträgerkosten (z.B.
Sonderpädagogen/-innen), decken den im individuellen Bildungs- und Förderplan
festgestellten und abgestimmten Förder- und Hilfebedarf eines Kindes mit
drohender oder latenter Behinderung ohne Abzug einzelner Maßnahmen. So werden
alle finanziellen Ressourcen gebündelt, um Kinder mit Behinderung unabhängig vom
Ort zu fördern, zu begleiten und vor allem von Anfang an in seiner Lebenswelt
als Mitglied einer Gemeinschaft unabhängig vom Grad der Behinderung an Bildung
teilnehmen zu lassen.
Erst wenn die materiellen und
sächlichen Voraussetzungen vor Ort unter Zuhilfenahme einer unabhängigen und
dienstleistungsorientierten Koordinierungs- und Kontaktstelle und in Abstimmung
mit allen an einem Förder- und Hilfeprozess Beteiligten geschaffen sind und ein
in sich geschlossener und aufeinander abgestimmter Förder- und Hilfeplan
umgesetzt und ausfinanziert ist, wird es möglich sein, Kinder mit Behinderung
oder drohender Behinderung von Anfang an voll und gleichberechtigt am
Bildungssystem teilhaben zu lassen und als Mitglied in der Gemeinschaft zu
integrieren. Diesen Prozess gilt es anzustoßen und zu begleiten.